Donnerstag, 22. Mai 2014

Füllwörter

Man nennt die kleinen Wörter, die den Sinn des Satzes nicht verändern, Füllwörter.
Deshalb hat man uns in der Schule beigebracht, dass man sie nicht schreiben sollte.
Sie tragen jedoch eine emotionale Einstellung zum Inhalt in sich und geben dadurch dem Satz eine Lebendigkeit. Für Deutsch Lernende sind sie schwer zu verstehen, weil die meisten keine Entsprechung in anderen Sprachen haben.


Kurzliste Emotion
Bedeutung Beispiel





aber Überraschung
Ich hätte nicht gedacht, dass ...




das ist aber voll in die Hose gegangen
also Bestätigung
Wenn ich dich recht verstehe, ...




du hast also in Frankreich studiert?
denn Neugierde
ich muss unbedingt wissen, ob ...




Hast du das denn noch garnicht bemerkt?
doch Widerspruch
Trotzdem hast du das gemacht.




Ich hatte dich doch gewarnt!



Im Gegenteil zu deiner Aussage




Doch!

Meinungsänderung
Jetzt erst fällt mir ein, dass ...




Gehen wir doch gemeinsam!
eben Bekanntheit
Es ist doch klar, dass ...




Jeder muss eben für sich selbst sorgen
mal Zeitunbestimmtheit
Ich möchte keine Gewohnheit daraus machen




Gib mir mal kurz den Stift!
ja Wunsch nach Zustimmung
Jeder wird mir recht geben, dass ...




Das ist ja wohl die Höhe!
schon Ungeduld
Beeile dich!




Nun sag es schon! 

Eingeständnis
Ich muss zugeben, dass ...




Das ist schon interessant
wohl Vermutung
Man kann nur glauben, dass ...




Da hast du wohl was in den falschen Hals gekriegt.

Mittwoch, 21. Mai 2014

Irrealis in europäischen Sprachen

In der deutschen Umgangssprache kann man in den Nebensätzen von Konditionalsätzen einen einfachen Indikativ konstruieren, wie im Artikel über den Irrealis beschrieben.

Auch in anderen europäischen Umgangssprachen existiert dieses Phänomen in unterschiedlicher Ausprägung:

Die französische Umgangssprache hängt noch am meisten an der traditionellen Grammatik:

"je serais heureux, si vous pouviez" (156 000 Google-Hits)
"je serais heureux, si vous pouvez" (15 Google-Hits)

Die spanische Umgangssprache hat sich schon klar für die Vereinfachung entschieden:

"agradecería mucho, si pudieran" (703 000 Google-Hits)
"agradecería mucho, si pudiesen" (68 900 Google-Hits)
"agradecería mucho, si pueden" (2 170 000 Google-Hits)

Die englische Umgangssprache liegt dazwischen:

"I would be pleased if you would" (6 810 000 Google-Hits)
"I would be pleased if you could" (278 000 Google-Hits)

"I would be pleased if you can" (1 630 000 Google-Hits)

Auf jeden Fall kann man feststellen, dass es eine europäische Tendenz zur Vermeidung eines doppelten Konjunktivs gibt, wenn dessen Benutzung im Hauptsatz alleine schon ausreicht, um den Sinn zu klären.

Modalverben ohne Hauptverben

Normalerweise benutzt man die Modalverben (können, dürfen, müssen, wollen, etc) in Verbindung mit einem Hauptverb (z.B. ich kann Fahrrad fahren).
In der Umgangssprache ist es jedoch möglich, die Hauptverben wegzulassen, falls sie eine Bewegung beschreiben.
In manchen Dialekten kann man in der Vergangenheit sogar auf das Modalverb verzichten und es bleibt nur noch das Hilfsverb.
Dann muss allerdings eine adverbielle Bestimmung für die Bewegung erwähnt werden:
(rein, raus, weg, nach Hause, etc.).

Hochsprache: "ich musste nach Hause gehen"
Umgangssprache: "ich musste nach Hause"

Hochsprache: "ich bin nach Hause gegangen"
Dialekt: "ich bin nach Hause"

Sonntag, 18. Mai 2014

Endungsverkürzung

Was nicht geschrieben wird, ist selten im Bewustsein der Sprecher. Das gilt besonders für die Aussprache von Endungen der deutschen Verben und Substantive.

Typischerweise werden die letzten drei Buchstaben in der Umgangssprache zu einem einzigen zusammengezogen, insbesondere wenn der Vokal dabei ein unbetontes e ist. Auf diese Weise gelten folgende Ersetzungen:

-nen  -> n    Beispiel: planen  -> plan, Bahnen  -> Bahn
-ben  -> m   Beispiel: geben  -> gehm, Gaben  -> Gahm
-gen  -> ng  Beispiel: sagen  -> sahng, Klagen -> Klahng
-hen  -> n    Beispiel: gehen  -> gehn
-ren  -> an   Beispiel: telefonieren -> telefonian

Dabei wird die Länge des Vokals der vorletzten Silben nicht verändert, sodass ich in den Beispielen ein h zur Längung des Vokals einfügen musste.

Die Besonderheit ist eine längere Aussprache des resultierenden Buchstabens, die zusätzlich durch einen schnellen Übergang von einem hohem Ton zu einem niedrigem Ton begleitet wird. Sonst könnte man beispielsweise "die Bahnen" nicht von deren Singular unterscheiden.

Auf diese Weise wird die deutsche Umgangssprache zu einer "Tonsprache" wie dem Chinesischen.

Irrealis

In der deutschen Umgangssprache sind etliche Vereinfachungen üblich geworden. Hier ist ein Beispiel für eine Strukturneuerung, über die selten diskutiert wird.

Die Formulierung von Möglichkeiten, die nicht stattfinden (Irrealis), hat sich zwar in der gesprochenen und geschriebenen Sprache verändert, wird aber nicht deutlich als parallele Bildungsform dargestellt

Es handelt sich um die Benutzung des Konjunktiv II in Konditionalsätzen der Gegenwart:
Gemäß der Schulgrammatik sollte Haupt- und Nebensatz im Konjunktiv stehen.
Die neue deutsche Sprachpraxis setzt jedoch nur noch den Hauptsatz in den Konjunktiv:

Alte Schulgrammatik: "es wäre schön, wenn du kämest" (6 Google-Treffer)
Schulgrammatik: "es wäre schön, wenn du kommen würdest." (14 400 Google-Treffer)
Sprachpraxis: "es wäre schön, wenn du kommst." (897 000 Google-Treffer)

Sogar die deutsche Welle zitiert: "Wir haben inszeniert, was passieren würde, wenn man wirklich hilft"

Durch diese Neuerung wird der Sinn nicht doppeldeutig oder unklarer.
Man kann sich bei der Formulierung viel Denkarbeit sparen und somit effizienter sprechen.
Außerdem ist der Satz kürzer und somit schneller zu erfassen.
Insbesondere Deutsch Lernende und Schulkinder können von einer Einschränkung der Komplexität profitieren und sollten diese Struktur als Wahlmöglichkeit erlernen.
Die Umschreibung des Konjunktivs durch "würde" ist ein anderes Thema, ebenfalls die Ersetzung des Futurs durch das Präsens.

Auch in anderen europäischen Umgangssprachen kann man eine Tendenz zur Vereinfachung beobachten.